In Südafrika wird links gefahren, aber der Umstand alleine ist kein Blog-Post wert. Was unterscheidet die Straßen von Frankfurt mit denen von Joburg, die Straßen von Kriftel mit denen von Mthatha?
Grundsätzliche Unterschiede:
1. Der Fahrer sitzt im Auto rechts, denn da befinden sich im Auto das Lenkrad und die Pedale. Da passiert es schnell, dass man auf der falschen Seite einsteigen will. Wenigstens sind die Pedale in der bekannten Formation angeordnet.
2. Der Blinkerhebel und der Scheibenwischer sind am Lenkrad seitenverkehrt montiert. Gerne kündigt man anfangs den Spurwechsel mit dem Winken des Scheibenwischers an – auch bei strahlendem Sonnenschein.
3. Der Schalthebel ist natürlich weiterhin in der Mittelkonsole und auch die Gänge sind in der bekannten Ordnung. Leider fehlt dem linken Arm das Selbstverständnis, das sein rechter Kollege über die letzten Jahre aufbauen konnte. So schaltet man am Anfang wie in der Fahrschule: Kupplung rein, Gang raus, Hebel in die Mittelstellung, dann Hebel in die gewünschte Richtung schieben, Kuppung kommen lassen. Mit der Zeit flowed es ganz von allein.
4. Den Rückspiegel gibt es auch im Linksverkehr. Dazu den Kopf aus der Fahrerposition leicht nach links oben drehen. Rechts oben befindet sich nur der Haltegriff über der Fahrertür.
5. Langsame Autos fahren immer links, die schnelleren überholen rechts – das ist eine der Grundverkehrsregeln. Die Auslegung hier in Südafrika ist jedoch so undeutsch (oder so afrikanisch) wie sie nur sein kann. Schleicher fahren auf allen Spuren und überholt wird, wo es gerade passt.
6. Linksabbieger sehen an der Gabelung zuerst nach rechts und können bei freier Fahrbahn einfach abbiegen. Gerne schaut man zu Anfang noch in die falsche Richtung und wartet bis alle Autos auf der Spur in die entgegengesetzte Richtung vorbei gefahren sind.
7. Beim Abbiegen in mehrspurige Straßen immer nach ganz links orientieren, sonst steht man schnell im Gegenverkehr. Dabei auf die Straßenschilder achten. Sieht man nur die Rückseite, hat man die falsche Straßenseite erwischt.
8. Kreisel im Uhrzeigersinn befahren.
Sonstige Tipps:
9. Das Licht wird an jedem Auto unterschiedlich bedient, daher sollte man sich vor! Einbruch der Dunkelheit mit dem notwenigen Schalter vertraut machen. Wir sind in der ersten Nacht mit dem Standlicht mehr als eine Stunde über die Autobahn gebrettert. Gestört hat es keinen, es gab genug Fahrer ohne Licht.
Südafrikanische Eigenheiten:
– Auf einspurigen Landstraßen ist die Fahrspur zum Rand durch eine gelbe Fahrbahnmarkierungen begrenzt. Neben der Markierung ist die Strecke noch eine halbe Autobreite asphaltiert. Langsame Fahrzeuge weichen darauf aus, wenn schnellere von hinten überholen. Der Überholende dankt mit dem Warnblinker.
– In kleineren Ortschaften stehen Stoppschilder an jeder Kreuzung und Abzweigung. Häufig gelten diese Schilder für die Autos, die auf der Hauptstraße fahren. Also Achtung. Nicht unbedacht mit 60km/h auf der Hauptstraße durch die Stadt brezeln, denn das nächste Stoppschild ist nur 50m entfernt. Der einbiegende Verkehr hat dann Vorfahrt.
– Wenn an einer Kreuzung alle Fahrbahnen mit Stoppschildern ausgezeichnet sind, dann fährt der zuerst, der als erster Verkehrsteilnehmer an die Kreuzung herangefahren ist. Kommen mehrer Autos aus verschiedenen Richtungen gleichzeitig an der Kreuzung an, gibt man sich durch Handzeichen zu verstehen wer wann fahren darf. Dabei unbedingt den umliegenden Verkehr und Fußgänger im Auge behalten.
– Auf dem Land gibt es an der Straße alle paar Kilometer Parkbuchten oder Haltestellen für Minibusse. Minibusse sind der afrikanische Gegenentwurf zum öffentlichen Nahverkehr. Meist heillos überladen, untermotorisiert und mit selbstmöderischen Fahrern unterwegs. Zeit ist auch hier Geld. Einige hundert Meter vor diesen Parkbuchten befinden sich Bodenwellen oder aufgrauter Asphalt, der zum Langsamfahren zwingt. Hier unbedingt runterbremsen und nicht von der zulässigen Geschwindigkeit täuschen lassen. Schon bei 30km/h sind die Bodenwellen ein Härtetest für die Stoßdämpfer. Die Wellen kommen auch gerne in Dreierreihen. Gleiches gilt vor Schulen und Ortseinfahrten.
– Zeigen Minibusse auf der Straße unvermittelt den Warnblinker heißt das sie verlangsamen und halten gleich an.
– Bürgersteige gibt es auf dem Land sogut wie nirgends. Überall laufen Menschen auf der Straße. Nicht zuweit links fahren, sonst muss man später Schulkinder oder Marktfrauen von der Windschutzscheibe kratzen.
– Der Straßenrand ist entweder Böschung, 30-50cm tiefer Kanal oder rumpeliges Feld. Von allen Varianten gilt es Abstand zu halten.
– Die Sonne steht morgens und nachmittags so tief, dass weder Sonnenblende noch Sonnenbrille wirklich etwas ausrichten können. Da ist für einige Momente Beinahe-Blindflug angesagt.
– Faustregel: Von der erlaubten (ausgeschilderten) Maximalgeschwindigkeit 10-20 km/h abziehen. Viele Einheimische fahren zwar eng an der erlaubten Grenze, für unsere Nerven ist das aber nix.
Unsere Lieblingsrisiken auf der Straße (Reihenfolge beliebig):
– Schwarze bei Nacht als Fußgänger auf der Straße. Laufen gerne in Gruppen von 4-5 nebeneinander auf der Fahrbahn her. Ohne Straßenbeleuchtung (die es außerhalb der Großstädte oder Autobahnen nicht gibt) fast unsichtbar bis 30m vor dem Auto. No Offense, aber ein reales Risiko.
– Schlaglöcher jeder Form und Größe. Hier macht sich unser etwas größeres Auto bezahlt. Ich glaube ein Polo wäre in dem ein oder anderen Loch einfach verschwunden.
– LKW mit Zuckerrohr, Baumstämmen oder undefinierbarem Grünzeug. Sie verlieren bei hoher Geschwindigkeit gerne Teile der Ladung, sodass die Straße hinter ihnen wie paniert aussieht (oder eine Wiese nach einem Festival). Außerdem bergauf fast bewegungslos.
– Streundende Hunde gibt es unglaublich häufig und sie sind leider ziemlich blöd. Wie blöd, zeigen die zahlreichen Kameraden, die nur noch als Futter für Aasfresser unsere Wege kreuzten.
– Kühe, Schafe, Ziegen, Schweine: Etwas scheuer als die meisten Hunde, deswegen aber nicht weniger gefährlich. Wenn eine Kuhherde auf der Straße steht, sieht man das meist von weitem und vorausfahrende Autos signalisieren Hindernisse mit dem Warnblinker. Allerdings hatten wir auch schon Kühe, die seelenruhig über die Straße dabbten als wir mit 100km/h auf sie zugefahren sind.
– Feuer am Straßenrand. Haben wir besonders in der Transkei alle paar Kilometer gesehen. Wenn der Wind schlecht steht, fährt man schnell durch eine Nebelbank. Unbedingt die Klimaanlage auf Umluft zu stellen und die Autofenster schließen.
– Baustellenschilder ohne Baustelle. Häufig mit Angabe einer Geschwindigkeitsbegrenzung, an die sich keiner hält, aber unbedarfte Verkehrsteilnehmer verwirrt.
– Übermotivierte Fahrer in untermotorisierten Kisten. Versuchen an den unmöglichsten Stellen zu überholen: Vor Kurven, vor Hügelkuppen, bei sichtbarem Gegenverkehr. Manchmal fahren bis zu drei Autos auf jeder Richtung aufeinander zu. Im letzten Moment scheren sie ein, um aneinander vorbei zu kommen. Aus unerfindlichen Gründen sind wir bisher mit dem Leben davon gekommen.
– Überladung. Auf Autodächer kann man alles fixieren. Rollstühle, einen mannshohen Stapel an Matrazen, Tiere, Kinder und vieles mehr. Bei entsprechender Geschwindigkeit bewegt sich das, nur durch Schnur oder Klebeband fixierte, Gebilde und beunruhigt nachfolgende Fahrer.
Autofahren in den Nationalparks ist ebenfalls ein Erlebnis. Manchmal sind die Wege einfach nur schlechte Trampelpfade mit tiefen Rillen, die die Bodenfreiheit des Autos auf eine harte Probe stellen. Nicht selten ist der Bewuchs am Streckenrand dann gleichfalls so dicht, dass man die Fenster schließen muss, um keine Äste abzubekommen. Aber gerade da macht das Autofahren immens viel Spaß. Es hat etwas freies, ursprüngliches und abenteuerliches an sich. Außerdem könnte hinter jeder Biegung eine Gruppe Impalas, Elefanten oder sonstiges Wildlife warten, dass unser Herz höher schlagen lässt.
Nicht alle Einheimischen können sich die Fahrt mit dem Minibus leisten und so stehen alle hundert Meter Menschen, die eine alternative Reisemöglichkeit suchen. Schließlich sind die Distanzen zwischen den Dörfern auf dem Land immens und zu Fuß meist nur in Tagesmärschen zu bewältigen. Wir haben schon viele Menschen beobachtet, die bis über die Ohren bepackt – teilweise im kleinen Kindern – durch die Landschaft gezogen sind. Reiseführer warnen ausdrücklich vor der Mitnahme von Anhaltern, da es schon häufig zu Überfällen gekommen ist. In Städten kann ich das sehr gut nachvollziehen. Wenn wir auf dem Land eine Frau mit kleinen Kindern sehen oder ältere Damen, dann halten wir an. Das ist natürlich keine allgemeine Empfehlung, aber wenn wir sowieso in die gleiche Richtung wollen, wieso nicht?
Nach dem Lesen dieser Liste könnte man den Eindruck gewinnen, Autofahren in Afrika ist nur etwas für die ganz Mutigen. Ist es aber nicht. Wer hier fahren will muss sich einfach auf die Umstände einlassen, darf keine deutschen Maßstäbe anlegen und sollte im Verkehr Augen und Ohren offen halten. Achtet man in D mehr auf die Geschwindigkeitsbegrenzung (+20km/h auf der Autobahn, dann wirds schon nicht so teuer…), so achtet man hier intensiver auf andere Verkehrsteilnehmer, die Schlaglöcher im Boden und alles was am Rand der Strecke unterwegs ist.
Zuckerrohr unterwegs an der South Coast.
Das Feld neben der Straße wird gerodet. Ein gewöhnlicher Anblick auf dem Land.
Mitfahrgelegenheiten gibt es viele.
Dach und Kofferraum sind gut gefüllt.
Eine Marktmama die wir zusammen mit ihrer Freundin in der Nähe von Graskop mitgenommen haben.
Die Straße ist auch der Gehweg.
Sonderausgabe des Sowetan zur WM. Darin wird Spanien noch als Favorit gehandelt…
Punkt 9 kommt mir doch sehr bekannt vor 🙂 Habe dieses Lichtproblem schon mit Isa erlebt, als wir mit ihrem damaligem neu erworbenen Polo eine Fahrt zur Berufsschule gemacht haben und da wurde es dann auch dunkel. Das Licht leuchtete, zwar nicht wirklich hell, aber das Auto war ja auch schon etwas älter. Wir haben uns schon über die vielen Autos gewundert, die uns Lichthupe gaben…da waren wir auch nur mit Standlicht unterwegs. Kann ja mal passieren 🙂
Also mir würde das mit dem links Fahren nicht so behagen. Konnte mich in London überhaupt nicht daran gewöhnen. Und das ist schon 40 Jahre her………