Mit dem Hausboot durch Borneo

Unsere erste Begegnung mit Orang-Utans fanden wir zu touristisch, deshalb müssen wir nochmal in den Dschungel. Dank dem Internet finden wir Jenie Subaru. Ein absoluter Glücksgriff. In jeder Hinsicht. Jenie Subaru stammt aus einer Familie, die sich ganz dem Tanjung Putting Nationalpark und seinen Bewohnern verschrieben hat. Die Familie stammt ursprünglich aus einer Gegend, die heute zum Nationalpark zählt. Sein ältester Bruder war der erste Guide im Park. Heute führen Jenie selbst und auch sein jüngerer Bruder Toris Besucher in den Park.

Der Tanjung Putting Nationalpark liegt an Bornes Südwestküste und ist am Besten per Flugzeug erreichbar. Wir flogen von Kuching über Pontianak nach Pangkalan Bun. Orte, die man nicht unbedingt im Reiseführer wiederfindet sondern eher in Strategiepapieren von Palmölproduzenten. Denn Borneo leidet, wie viele andere Inseln Indonesiens, an akuter Ausbeutung durch die Palmölindustrie. Aus dem Flugzeug wird das Ausmaß der Tragödie sichtbar. Wie mit dem Lineal gezogen erstrecken sich Palmölfelder bis zum Horizont. Die kläglichen Reste des ursprünglichen Urwalds wirken wie Pocken auf dem sonst so militärisch organisierten Waldboden.

Nach dem Eindruck aus der Luft, landen wir ziemlich ernüchtert in Pangkalan Bun. Doch die schlechte Stimmung verschwindet schnell, denn wir werden von Toris abgeholt. Jenies jüngerer Bruder ist nicht nur unser Flughafen-Pickup, sondern wird uns die kommenden drei Tage als Guide durch den Regenwald führen. Seine heitere Stimmung überträgt sich schnell und der Gedanke an das was wir vorhaben, lässt die Palmölproduktion für eine Weile vergessen.

IMG_3901The Itinerary

Ja was machen wir eigentlich genau? Jenie haben wir vor einiger Zeit im Internet gefunden (was gar nicht so schwer ist, wenn man seinen Namen kennt). Wir suchten nach einer Möglichkeit Orang-Utans in ihrem natürlichen Lebensraum zu sehen. Mit möglichst wenig touristischem Störfeuer und möglichst Off-The-Beaten-Tracks. Dafür waren wir bereit einige Tage durch den Urwald zu laufen, Blutsauger aus den Socken zu fingern und Mückenstiche als Zeichen eines gesunden Waldes zu verstehen.

Vieles von dem was wir uns wünschten, haben wir auch bekommen. Tagelang mussten wir nicht laufen und Blutsauger gab es auch keine. Dafür das Klotok Tiana inklusive Kapitän, eine Köchin, ein Assistenten und Toris als Guide. Zusammen bildeten sie unser Team für drei Nächte. Den Ablauf der Tour könnt ihr auf Jenies Seite nachlesen. Kurz gesagt fahren wir in drei Tagen einige Orang-Utan-Rettungsstationen ab, die alle an einem Flussarm liegen und deswegen gut mit dem Boot zu erreichen sind. Geschlafen wird auf dem Boot und die Crew kümmert sich um unser Wohlergehen.

Wieder mal kommt es uns zu Gute, das wir außerhalb der Saison unterwegs sind. Es ist immer noch Monsunzeit und so befinden sich weniger Touristen als sonst in der Region. Allerdings ist Jenies Angebot keineswegs exklusiv. Viele der hiesigen Bevölkerung befördern Touristen mit Booten in den Park. Es gibt auch einige größere Tourorganisatoren. Viele der Großen beschäftigen nach Jenies Aussage Zuwanderer der Insel Java und keine Einheimischen. Daher hat er es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur Touristen die Schönheit der Natur zu zeigen, sondern auch den lokalen Nachwuchs auszubilden.

IMG_3873Knapp eine Stunde nachdem wir den Flughafen verlassen haben, sitzen wir gemütlich auf dem Schiff und nehmen Kurs auf den Tanjung Putting Nationalpark. Wir haben das Boot komplett für uns. Die Mannschaft hält sich meist unter Deck auf, abgesehen von Toris, der uns engagiert und fundiert in die Besonderheiten der Natur- und Tierwelt einführt. Das Oberdeck ist mit zwei komfortablen Matratzen ausgestattet, die nachts zu einem ordentlichen Bett erweitert werden. Daneben steht ein Esstisch und zwei Campingstühle, die sich hervorragend zum Fläzen eignen. So verbringen wir auch die meiste Zeit auf dem Oberdeck, die Kamera griffbereit unter dem Sitz und staunen in die Runde.

Humboldt hatte es sicher nicht so komfortabel, als er in Südamerika den Orinoko hoch gepaddelt ist. Trotz des Komforts kommt bei uns richtige Entdeckerstimmung auf. Links und rechts zieht der Regenwald vorbei. Ok, links ist der Wald nur drei Meter dicht, denn dann beginnen schon die Palmölplantagen. Aber das sieht man vom Boot aus nicht. Alle paar hundert Meter sitzen Nasenaffen oder Makaken in den Bäumen am Ufer und hinter jedem Ast im Wasser vermuten wir ein Krokodil.

IMG_3720Andere Boote bekommen wir selten zu sehen. Meist sammeln sie sich an den Anlegern der Rettungsstationen zu den obligatorischen Tagesausflügen. Und selbst dann ist die Menge erträglich. Auch deshalb, weil wir selten den direkten Weg von unserem Boot zu den Beobachtungsplätzen nehmen. Toris liebt es abseits der Hauptpfade zu wandern und uns Insekten und Pflanzen zu zeigen. Er ist richtig stolz auf seine Umwelt und hat nach eigener Aussage schon zwei unbekannte Insekten entdeckt. Einen besseren Guide kann man sich hier nicht wünschen. Seine Passion und die fantastische Umwelt verzaubern uns bei jedem Schritt.

Fütterungen und wilde Tiere

Die für Touristen organisierten Beobachtungen der Orang-Utans laufen in den Rettungsstationen überall gleich ab. Ranger tragen Berge von Bananen auf eine Holzplattform und machen durch affenartige Rufe Werbung für den Fast-Food. Die Touristen stehen etwa 15 Meter entfernt, nur durch ein Seil von der Plattform getrennt. Viele der Tiere leben schon seit Jahrzehnten in der Umgebung der Stationen und wissen, dass es an den Fütterungsplätzen bequeme Nahrung gibt.

Die Tiere werden nicht in Käfigen gehalten oder in einem Gatter und sind durch ihre Zeit in den Rettungsstationen an Menschen gewöhnt. Um die in dieser Region sehr hohe Population der Tiere zu unterstützen, füttern die Stationen regelmäßig. Einerseits um den schwächeren Tieren das Überleben zu sichern und natürlich weil die Fütterungen ein Touristenmagnet sind.

IMG_3807Die schönsten Erlebnisse haben wir abseits der Fütterung. Bei einem unserer üblichen Umwege stehen wir plötzlich drei Meter neben einer Orang-Utan-Mama mit Kind. Toris kennt, wie viele der Guides, fast alle der halbwilden Tiere und kann sie entsprechenden Familienzweigen zuordnen. Während Isi und ich vor lauter Staunen und Fotos schießen ziemlich abgelenkt sind, kommt der kleine Orang-Utan so nahe an Toris heran, dass er fast seine Hose packen kann. Die Neugier ist auf beiden Seiten groß, aber wir gewinnen schnell ein paar Meter Abstand. Der Kleine schlägt noch ein paar Purzelbäume, dann verschwinden wir aus ihrem Sichtbereich.

Solche Erlebnisse passieren einfach aus dem Nichts. Sie sind unbeschreiblich. Die Orang-Utans wirken so menschlich, so intelligent. Toris erzählt, dass sich die Einheimischen die Verwendung von Heilpflanzen teilweise von den Tieren abgeschaut haben. Bei dem wenigen was wir bisher gesehen haben, glauben wir ihm das gerne.

Neben der kleinen Orang-Utan-Familie unterhält uns an diesem Tag auch noch Boy, einer der Stationsbekannten Gibbons. Seine Sprünge durch die Baumkronen sind so fantastisch, dass sie jedem Kletterer die Tränen in die Augen treiben. Er bewegt sich mit einer Leichtigkeit und Geschwindigkeit die wir stundenlang beobachten könnten, müssten wir dazu nicht den Kopf in den Nacken legen…

IMG_3737Der Service an Bord ist super. Unsere Ausflüge dauern maximal 2-3 Stunden. Kaum zurück gibt es Kaffee, Tee, Kekse oder Stückchen. Abends wird dann ein traditionelles Essen aufgefahren, dass wir ganz romantisch bei Kerzenlicht auf dem Oberdeck genießen. Am letzten Abend parkt die Crew unser Boot direkt unter einem Baum mit unzähligen Leuchtkäfern und wir genießen ein Abendessen mit bester Weihnachtsbeleuchtung. Geschlafen wird dann auf dem Oberdeck. Die Crew verwandelt die einfachen Matratzen mit Bettbezügen und einem Moskitonetz zu einem erstklassigen Freiluftschlafzimmer.

Kate und William in Borneo

Leider müssen wir nach drei Tagen die Heimreise antreten. Doch die schöne Zeit mit Toris, unserer Crew und Jenie ist noch nicht vorbei. Da Isi und ich keine weiteren Pläne haben rekrutiert uns Jenie für den gleichen Abend, um an seinem Englischkurs teilzunehmen. Er freut sich seinen Schülern englisch-sprechende Touristen präsentieren zu können. Nicht das er uns überreden müsste.

Im Gegenzug dürfen wir bei Jenie übernachten und er zeigt uns persönlich seine Heimatstadt Ban Kalanbun. Bei einer kleinen Bootsfahrt durch die Stadt merken wir schnell, dass hier Touristen selten sind. Das Leben der Menschen findet hier am Fluss statt. Die Ufer sind mit Menschen aller Generationen bevölkert. Während wir fasziniert in einem, für Europäer etwas zu schmalen, Boot sitzen, winken uns alle Kinder am Ufer und rufen das übliche „Mister, how are you?“  hinterher. Einige Übermütige performen auch ein paar kamerareife Arschbomben für uns. Für alle ist dieser Moment eine Ausnahme des Alltäglichen. Ein Moment reiner Freude. Für Momente wie diese reisen wir.

Praktisches: Flüge nach Pangkalan Bun findet man selten über die klassischen (in Deutschland häufig genutzten Flugsuchmaschinen. Wir haben unseren Flug mit Trigana Air von Pontianak via nusatrip.com gefunden. Einige Airlines fliegen auch von Surabaya (Java-Insel) nach Pangkalan Bun. Für unsere Drei-Nächte-Tour (für 2 Personen) mit Toris haben wir  insgesamt etwa 400 Euro bezahlt. Das Paket umfasste Boot, Crew, Eintritt in den Nationalpark und die Aufzuchtstationen, Verpflegung und Abholung am Flughafen. In Pangkalan Bun finden sich auch einige Unterkünfte und Restaurants.

IMG_3848Toris und Isi

IMG_3629Guten Morgen.

IMG_3651Chillen auf dem Topdeck.

IMG_3847Big Daddy auf einem unserer Stationsbesuche.

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Got Milk?

IMG_3871Abendessen bei Kerzenlicht

IMG_3937Jenie mit seiner bezaubernden Frau und uns zwei Wilden.

IMG_3794Verspielt und neugierig.

 

2 Comments on “Mit dem Hausboot durch Borneo

  1. Hey ihr beiden, dass hört sich so klasse an! Bin etwas neidisch auf eure Hausboottour 😉 Ihr seht auch richtig tiefenentspannt aus. Weiterhin viel Spaß!
    LG

  2. Ihr seid echt so krass. Wir beneiden Euch sehr um diese unbeschreiblichen Eindrücke und freuen uns, dass es Euch gut geht. Allerdings vermissen wir Euch auch ganz schön. Dass Ihr und ja nicht fort bleibt!