Auf nach Namibia

Reisen bedeutet Bewegung. Nach ziemlich genau vier Wochen sagten wir Andre, seiner Familie und seiner Crew lebewohl. Irgendwie war es ein Abschied auf Raten, denn einige Tage vor uns verließen schon mit Christina und Ian zwei Volunteers die Brauerei, um, genau wie wir, nach Namibia weiterzureisen. Schweren Herzens, aber mit dem Gedanken Teile unseres eingeschworenen Teams bald  zu sehen, begaben wir uns wieder auf die Straße um neue Abenteuer zu erleben.

Gerne wären wir gemeinsam mit Christina und Ian Richtung Windhoek in Namibia abgereist, doch sie hatten ihre Bustickets schon in England gebucht. Daher verabredeten wir lose, dass wir uns in Namibia treffen könnten, sollten es unsere Reisepläne zulassen.

Der Abschied von Andre und allen Menschen, die vier Wochen unsere Familie gewesen waren, fiel uns nicht leicht und wäre wohl noch schwerer geworden. Doch dafür blieb kaum Zeit. Das Restaurant war an diesem Tag so betriebsam, dass wir direkt vom Zapfhahn in Andres Auto sprangen und der 12jährige Noah die Gäste weiter bewirten musste.

Wer kein eigenes Auto besitzt, hat nur wenige Möglichkeiten Nieu Bethesda zu verlassen. Die beste Möglichkeit von dort wieder in die ¨zivilisierte¨ Welt zurückzukehren bietet der Überlandbus, der zweimal am Tag durch das etwa 70km entfernte Graaff Reinet fährt.

Busreisen in Afrika ist sehr komfortabel, wenn man mit der richtigen Organisation unterwegs ist. Wir buchten unseren Trip bei Intercape, einem Unternehmen mit recht guten Netzkritiken und einer akzeptablen Unfallstatistik. Zudem schickt Intercape Sleepliner-Busse mit Liegesitzen auf die langen Überlandstecken. Unser Trip von Graff Reinet nach Capetown sollte etwa zehn Stunden dauern und verlangt für europäische Verhältnisse ein bisschen Durchhaltevermögen. Zwar lassen sich die Sitze in den Bussen umlegen, doch das bedeutete keineswegs eine entspannte Liegeposition. Jedenfalls nicht für kleine Menschen.

Und unsere Beine wurden durch das lange Warten auf den Bus wahrscheinlich noch ein wenig kürzer. Denn der Bus erreichte uns mit knapp zwei Stunden Verspätung, die wir frierend an einer Tankstelle standen. Zwar konnten wir uns dann ein wenig unterkühlt und übermüdet auf die Sitze fallen lassen, aber die eigentliche Abfahrt verzögerte sich aufgrund technischer Probleme um weitere 90 Minuten.

Abgesehen von dieser Verspätung haben wir mit Intercape nicht nur auf diesen Trip gute Erfahrungen gemacht und können den Service allgemein empfehlen. Die Busse sind gepflegt, haben eine ordentliche Bordtoilette und man kann unterwegs (schlechten) Kaffee ordern. Wer sich jedoch durch christliche Videos und Gospelclips gestört fühlt, die in Schleife auf dem Bordfernseher laufen, sollte mit einer anderes Gesellschaft fahren. Allerdings kann man der Berieselung einfach mit dem eigenen mp3-Player und einem Buch entgehen. Und manche dieser Clips haben einen hohen Unterhaltungswert.

Auf allen unseren Reiseetappen lernen wir etwas dazu und sei es noch so trivial. Unsere Lektion für zukünftige Übelandfahren mit dem Bus: unbedingt eine Decke mitnehmen! Denn die Klimanlagen in den Bussen stammen definitiv aus dem Hause Stark und arbeitete ganz im Sinne des Hausmottos: Winter is coming.

Sorry Capetown

Ein bisschen müssen wir uns an dieser Stelle bei Capetown entschuldigen. Diese, nach dem hörensagen wunderschöne Stadt, gehört zu den Opfern unserer Reise. Wir haben in ihrem Einzugsgebiet nicht mal 24 Stunden verbracht, was ihr keineswegs gerecht wird. Noch viel schlimmer, wir haben sie mit dem Eindruck verlassen, dass sie uns sehr an Frankfurt erinnert. Alle Capetown-Liebenden mögen uns diesen Eindruck verzeihen, denn wir waren in Eile. Alle Frankfurter wissen, das gilt auch als Kompliment 🙂

Aber Eile gibt es auf so einer Reise eben auch. Nach knapp zwei Monaten waren wir heiß auf ein neues Land und freuten uns gleichzeitig darauf, Namibia zusammen mit Christina und Ian zu erkunden. Unseren nächsten Arbeitsbeginn auf der Jagd- und Gästefarm Hamakari hatten wir nach einigen Skypetelefonaten mit der Managerin Sabine auf den 11. August datiert. Dadurch blieben uns gute 14 Tage Zeit für ein gemeinsames Abenteuer.

Da sich Intercape als akzeptable Möglichkeit erwiesen hatte lange Strecken zu bewältigen, buchten wir für die Tour in Namibias Hauptstadt Windhoek ebenfalls zwei Plätze im Sleepliner. Schlappe 21 Stunden sollte diese Tour dauern. Mit der Erfahrung aus der vorangegangenen Fahrt war klar, dass diese Tour mit hoher Wahrscheinlichkeit die 24 Stunden-Marke knacken würde.

Die wenige Zeit in Capetown verbrachten wir daher nicht mit Sightseeing (obwohl der Tafelberg für wenige Momente zwischen den Wolken hervorlugte), sondern mit Schlafen und Reisevorbereiungen. Natürlich kauften wir eine schöne Kuscheldecke, die wir kaum in unseren Rucksäcken verstauen konnten. Doch uns war klar, dass sich die Investition alleine für die Busreise rechnen würde.

Was haben wir also von Capetown gesehen? Hmm, mal überlegen; die obligatorische Longstreet mit ihren zahlreichen Cafes und noch zahlreicheren Bettlern und Schnorern, den Market Square wo wir einen erstklassigen aber völlig überteuerten Kaffee genoßen sowie die St. Georg´s Cathedral in der Desmond Tutu immer wieder massiv gegen die Apartheid protestierte. Auf Frankfurt umgelegt bedeutet das ungefähr folgendes: man läuft über die Zeil und kauft eine Decke beim Kaufhof an der Hauptwache, trinkt einen Kaffee in der Schiller-Straße bei Starbucks an der Börse und flitzt schnell zur Paulskirche und von dort wieder an den Bahnhof. Hinterher behauptet man in Frankfurt gewesen zu sein. Ach ja – den Feldberg hat man auch aus der Ferne gesehen. Also sorry Capetown, aber wir brauchen irgendwann ein zweites Date.

Kleider machen Leuten

Auf stundenlangen Bus- und Bahnreisen bilden sich sehr schnell Zweckgemeinschaften, meist unter gleichgesinnten oder Menschen ähnlicher Abstammung. Isi und ich saßen noch im Busterminal als uns zwei Jungs auf deutsch anquatschten wo es denn hingehe und wie das mit dem Intercape denn so funktioniere. Schnell wuchs unsere Vierergruppe auf fünf Personen, als noch eine Schweizerin hinzukam. Irgendwie erkennt man sich, entweder man schnappt die eigene Sprache auf oder wie in unserem Fall verrät die Kleidung oder die Ausrüstung (in unserem Fall trug ich ein S-Oliver-Shirt) aus welcher Ecke der Erde man höchstwahrscheinlich kommt.

Solche Gemeinschaften können lästig sein, jedoch überwiegt meist der praktische Aspekt. Diese Menschen mag man vielleicht 10 Minuten kennen, vertraut ihnen aber sofort das eigene Gepäck und die eigene Telefonnummer an. Auf Zwischenstopps achtet man gemeinsam darauf, dass bei der Abfahrt alle wieder im Bus sitzen und man tauscht Erfahrungen aus. Aufgrund des temporären Charakters vergisst man aber die Namen schnell, Wir können uns heute nur noch an Erdal erinnern, der uns seinen Namen einfach treffend beschrieb: Erdal, so wie die Schuhcreme mit dem Frosch aus Deutschland. Die anderen zwei Namen sind uns leider schon wieder entfallen. Trotzdem wünschen wir allen eine gute Weiterreise und viele schöne Erlebnisse.

Das Fass darf nicht überlaufen

Der einzige nennenswerte Moment der gesamten Busreise ereignete sich am Grenzübergang Vioolsdrift nach Namibia. Grenzschützer und Passstempler sind nicht unbedingt für ihre offene, herzliche und entgegenkommende Art bekannt. Besonders dann nicht, wenn ein Bus mit geschätzt 60 Menschen an Bord mitten in der Nacht an ihr Stempelkissen rollt.

Wir verbrachten wir gute drei Stunden an der Grenze, mussten zweimal aus dem Bus aussteigen, zweimal wieder ein, die südafrikanischen Grenzbeamten stempelten unsere Ausreise, die namibischen 250m die Straße runter unsere Einreise. Also überall Schlange stehen, sich kritisch angucken lassen und in der Schlange zwei Schritte vorlaufen. Auch das Gepäck wurde einer gründlichen Untersuchung unterzogen oder besser gesagt, der ganze Bus. Denn an der Grenze stand tatsächlich eine Halle mit Röntgengerät, in die der ganze Bus hineinfahren musste. Bei dieser Prozedur fanden die (für die Uhrzeit doch sehr engagierten Grenzer) tatsächlich eine Ungereimtheit auf ihren Bildschirmen. Dummerweise hieß das, dass das gesamte Gepäck ausladen, um ein verdächtiges Fass zu untersuchen. In dem Fass befanden sich hochgefährliche Flaschen mit Oliven – oder Sonnenöl, die ein Passagier beim Zoll nicht angegeben hatte. Für ganze 200 Rand Zollgebühr (etwa 15 Euro) wären uns fast 1,5 Stunden nächtliches Rumstehen erspart geblieben. Einen Preis, den unsere Fünfergruppe ausgelegt hätte, hätten wir früher von dem Sachverhalts erfahren.

Ziemlich übermüdet, ohne das Faß mit dem Öl, aber mit den wichtigen Einreisestempeln im Pass, ging es weiter. Falls einer der Leser in Nähe des Grenzübergangs wohnt, empfehle ich dort einen Shop oder ein Kaffee zu eröffnen. Man wäre (noch) konkurrenzlos und könnte Mondpreise verlangen, die Touristen mitten in der Nacht mit Sicherheit zahlen.

Am frühen Morgen kamen wir in Windhoek an und buchten uns unweit von Christina und Ian in ein B&B. Die namibische Hauptstadt sollte nur unser Drehkreuz für weitere Abenteuer werden.

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